Das Rektorat spricht nicht für die Universität!

Mit einer Pressemitteilung übt das Rektorat der Eberhard Karls Universität Druck auf den Gemeinderat in der Entscheidung um die Ansiedlung von Amazon aus. Das Bündnis gegen das Cyber Valley, der Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley sowie die Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe wehren sich gegen den Versuch, die Universität so zu instrumentalisieren. 

Bemerkenswert an der Pressemitteilung der Universitätsleitung ist zunächst die Formulierung, dass „die Universität an alle politisch Verantwortlichen in der Stadt Tübingen appelliert“. Für alle weiteren Zitate wird Rektor Engler als Quelle genannt. Steht es dem Rektor einer Universität zu, in solch kontroverser Angelegenheit für die Universität als Ganzes zu sprechen?

Denn die Kernaussage des als Pressemitteilung getarnten Appells ist steil: Nur mit Amazon – und zwar an genau diesem Ort und zu diesen Bedingungen – sei eine ethisch reflektierte KI-Forschung möglich. Deshalb seien „sachfremde Erwägungen“ z.B hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Steuervermeidung des Konzerns zugunsten der – offenbar wissenschaftsimmanenten – Strahlkraft des Amazon-Konzerns nicht zu berücksichtigen. Werde Amazon der Bau eines Entwicklungszentrums in Tübingen „verwehrt“, „wäre dies ein verheerendes Signal an KI-Forscherinnen und -Forscher weit über Deutschland hinaus.“ 

„Ähnlich wie der Rektor wünsche ich mir auch, dass an Künstlicher Intelligenz in einem Umfeld geforscht wird, das sich zur gesellschaftlichen Verantwortung von KI-Forschung bekennt. Die Zusammenarbeit mit Amazon steht dem jedoch diametral entgegen. Gesellschaftliche Verantwortung heißt hier eben auch, nicht mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die ihre Mitarbeiter*innen ausbeuten und den Einzelhandel systematisch verdrängen.“, meint Jacob, aktiv im freien zusammenschluss von student*innenschaften.

Dass sich eine Universitätsleitung im Namen „der Universität“ an den Gemeinderat wendet und dabei z.B. das Zahlen von Steuern als „sachfremde Erwägung“ klassifiziert, während sie die Signalwirkung des Verkaufs städtischer Flächen an Amazon an eine internationale Forscher-Community offenbar als ureigenes Interesse des Gemeinderates ansieht, ist bizarr. „Noch vor zwei Wochen stand das Rektorat mit uns auf der Straße, um für eine ausreichende Finanzierung der Universitäten aus Landesmitteln zu demonstrieren. Nun so unverhohlen für die Ansiedlung eines Steuervermeiders zu werben, zeugt von Doppelmoral.“ so Hanna, die in der Ernst-Bloch-Uni-Hochschulgruppe aktiv ist.

Grob irreführend ist auch die Formulierung, der Bau eines Entwicklungszentrums würde „verwehrt“ werden. „Amazon könnte irgendwo im Cyber Valley – zwischen Tübingen und Vaihingen – auf dem privaten Immobilienmarkt ein Gebäude anmieten, will sein Entwicklungszentrum aber genau dort, zwischen den Max-Planck-Instituten, den Cyber Valley-Gebäuden und dem Startup-Campus bauen.“, so Hanna weiter. Das koste auch nur eine halbe Millionen Euro. „Es geht hier nicht darum, irgendwem irgendetwas zu verbieten. Es geht um die Frage, ob man Amazon devot den roten Teppich ausrollen will oder nicht.“

„Es ist für mich völlig unklar, woher der Zwang kommt, unter allen Umständen zum Standort Nummer eins aufsteigen zu müssen. Die Region zählt zu den wohlhabendsten in Europa. Brauchen wir hier wirklich noch mehr Wachstum und Ausverkauf? Das ist nicht nur ökologisch und sozial unter keinen Umständen tragbar, sondern nimmt auch anderen Regionen in der Welt die Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Nachdem nicht nur der Technologiepark, sondern nun auch der Horemer schon fast vollständig verkauft bzw. optioniert sind, stellt sich die Frage, wo all die weiteren Unternehmen und Institute noch Platz finden könnten, die nun durch die Strahlkraft Amazons angelockt werden sollen. Was, wenn nach ZF, Bosch und Amazon noch weitere Cyber Valley Partner hier bauen wollen? Das ist doch purer Größenwahn – eine andere Erklärung erschließt sich mir nicht! In meinem Namen spricht das Rektorat ganz sicher nicht!“ meint Maxi, Student an der Uni Tübingen und aktiv im Bündnis gegen das Cyber Valley.

Was ganz klar gesagt werden muss: Das Rektorat spricht hier nicht für die Universität. Denn ohne Studierende – die sich schon bald keinen Wohnraum mehr leisten könnten –, ohne einen starken Mittelbau, ohne Mitarbeiter*innen, ohne Professor*innen, die in Forschung und Lehre aktiv sind, kann eine freie und emanzipatorische Universität nicht gedacht werden. Lukas vom Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley: „Das Rektorat hat offenbar ein Interesse an einem Cyber Valley, das von übermächtigen, ausbeuterischen Konzernen abhängig ist. Diesem ‚Leuchtturm‘ wird alles untergeordnet – ob es danach noch eine funktionierende Stadt und Universität gibt und wie die Interessen des Rektorats im Widerspruch zu denen der anderen Uni-Angehörigen stehen, ist nachrangig.“

Für Rückfragen steht Ihnen gerne Jacob Bühler zur Verfügung.
(Tel. +49 157 72532231; E-Mail: jacob@blochuni.org)

Kein (Bau-)Grund für Amazon! Aufruf zur kritischen Begleitung der Gemeinderatssitzung am 14.11.

Bei der nächsten Sitzung des Gemeinderates am 14.11.2019 steht der Verkauf weiterer kommunaler Flächen für den Weltkonzern Amazon an. Der Konzern ist für Steuervermeidung, Monopolbestrebungen, miserable Arbeitsbedingungen und eine systematische Bekämpfung des Datenschutzes bekannt. In Tübingen will Amazon Forschung zu Künstlicher Intelligenz betreiben. Die daraus entstehende Demokratie- und Freiheitsrechte gefährdenden Technologien verkauft der Konzern schon jetzt an Polizei-& Geheimdienstbehörden weltweit, auch in autoritären Staaten.

Der Konzern steht darüber hinaus für die Ausweitung von möglichst günstigem Konsum – ein Ziel, das uns noch weiter in Krise der Klima- und Naturzerstörung hereintreiben wird.Außerdem besteht die Gefahr, dass die ohnehin angespannt Wohnsituation, wie in anderen Orten mit Amazon-Forschungszentren, durch den Anziehungseffekt des Konzernes verbunden mit dem Cyber Valley sowie dem Industriepark eskaliert. Machen wir es also wie die Bevölkerung von New York und Berlin, die Amazon und Google aus ihren Orten vertrieben haben. Gehen wir zur öffentlichen Gemeinde-ratssitzung ins Rathaus!

Donnerstag 14.11.2019 ab 17 Uhr – evtl. 22 Uhr

Public Advisory Board: Das Cyber Valley entzieht sich weiterhin der öffentlichen Kontrolle

Der Arbeitskreis Kritische Vortragsreihe Cyber Valley und das Bündnis gegen das Cyber Valley lehnen das Public Advisory Board des Cyber Valley in der vorgestellten Form ab. Die Einrichtung eines Gremiums zur Kontrolle der Forschungsvorhaben sei grundsätzlich wünschenswert. Kritisiert werden dagegen die weiterhin intransparenten Vorgänge rund um das Cyber Valley, auch in Bezug auf das Public Advisory Board. Zudem sei ein Gremium nach den vorliegenden Entwürfen nicht in der Lage, die Forschungskooperation effektiv zu kontrollieren.

So führt Lukas Weber vom AK Kritische Vortragsreihe aus: „Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung des Public Advisory Boards, zeigt dies doch, dass der Protest nicht ungehört bleibt. Ein Gremium jedoch, das weder Stimm- noch Vetorecht zu den Forschungsanträgen hat, stellt keine effektive Kontrollinstanz dar.“ Laut Pressemitteilung des Cyber Valley wird der Beirat nur die Möglichkeit haben, gegenüber dem Research Fund Board Empfehlungen auszusprechen, Bedenken zu äußern und sich an dessen Diskussionen zu beteiligen. Im Research Fund Board wiederum findet die eigentliche Entscheidung statt, ob ein Förderantrag bewilligt wird oder nicht. Das jedoch entscheidet lediglich nach Kriterien der Exzellenz und lässt ethische, soziale und ökologische Aspekte außen vor.

Auch in Puncto Transparenz lasse der Umgang mit dem Public Advisory Board zu wünschen übrig: „Vor der Pressemitteilung war von offizieller Seite nichts über die Einrichtung des Gremiums zu hören. Das hätten wir uns bei einem Beirat, der demokratisch und ausdrücklich öffentlich sein soll, anders erwartet.“ Nur dank guter Vernetzung und Informationen von einigen wenigen Listen des Tübinger Gemeinderats konnte man im Voraus überhaupt etwas von der Einrichtung des Boards erfahren. Und nach der Pressemitteilung? „Weiterhin bleiben einige Aspekte des Beirats unklar: Wie genau wird das Gremium funktionieren? Werden die Sitzungen oder wenigstens die Protokolle öffentlich sein? Wie findet die Rückbindung der Mitglieder an die Öffentlichkeit statt? Nach welchen Kriterien befindet das Board über Anträge?“ Diese und viele weitere Fragen müssten schleunigst geklärt werden.

Leo vom Bündnis gegen das Cyber Valley fügt hinzu: „Das Public Advisory Board wird lediglich in die Projekte einbezogen, die durch den Cyber Valley Research Fund finanziert werden sollen – mit einem Volumen von 5 Mio. Euro in den kommenden vier Jahren. Dies ist nur ein winziger Teil des gesamten Ökosystems „Cyber Valley“. In die Forschung des geplanten Amazon-Entwicklungszentrums, des Bosch-Forschungszentrums, des MPIs und der erhofften Startups wird es keinerlei Einblick haben. Kritische Forschungsvorhaben können problemlos am Gremium vorbei als Drittmittelprojekte, in Startups oder den Entwicklungszentren durchgeführt werden und trotzdem Angehörige der Uni oder des MPI einbeziehen. Hier wird Transparenz und ethische Reflexion nur simuliert, eine Kontrolle der Forschung z.B. von Amazon ist damit keineswegs gegeben.“

Unabhängig von den konkreten Kritikpunkten am Beirat selbst warnt Leo: „Die Existenz des Public Advisory Boards als Kontrollinstanz sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Cyber Valley als Projekt insgesamt weiterhin viel Kritik angebracht ist: Sei es die enge Zusammenarbeit mit problematischen Unternehmen oder der Fokus auf schnelle wirtschaftliche Verwertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse.“ 

Beide Gruppen wollen weiterhin am Anliegen festhalten, das Cyber Valley und dessen Umgebung kritisch zu begleiten und sich für eine stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit einzusetzen. Die neu eingesetzten Mitglieder des Public Advisory Boards werden hierzu herzlich eingeladen.

Das Cyber Valley hatte in einer Pressemitteilung vom 27.08.2019 die Einrichtung und Besetzung des Public Advisory Boards bekanntgegeben. Vorangegangen waren seit 2018 anhaltende Proteste u.a. des Bündnisses gegen das Cyber Valley, in denen vor allem die Nähe der Forschungskooperation zur Wirtschaft, insbesondere auch zur Rüstungsindustrie, sowie intransparente Strukturen kritisiert wurden.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:
Jacob Bühler
Wilhelmstraße 30
72074 Tübingen
vortragsreihe@blochuni.org

Kupferbau goes Gemeinderat

Nach 21 Tagen der Besetzung haben wir, die Besetzer*innen des Hörsaals 21 im Kupferbau, uns entschlossen, mit unserem Protest in eine neue Phase einzutreten.
Über Monate hinweg haben politisch und administrativ Verantwortliche an Universität und Stadt, aber auch viele der lokalen Medien versucht, eine kritische Debatte zum Cyber Valley gar nicht erst zustande kommen zu lassen. Durch unsere spontane Besetzung am 29.11. war Schluss damit! Wir haben einen sozialen Raum zur kritischen Debatte und Reflexion geschaffen – und dies auch mit vielen Themen weit über das Cyber Valley hinaus.

In den folgenden Tagen und Wochen ermöglichte es der von uns genommene, basisdemokratisch organisierte Freiraum, dass es zu einer breiten öffentlichen Debatte zum Cyber Valley, aber eben auch zu weiteren gravierenden Problemen, wie der katastrophalen Wohnraumsituation und fehlenden demokratischen Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeiten kam.

Tübingen hat sich verändert! Nicht nur erfolgten in den letzten Wochen eine Vielzahl weiterer Proteste und Besetzungen, der öffentliche und soziale Raum der Stadt hat sich geändert. Kritische Debatte ist nicht mehr auf private Räume und Veranstaltungen beschränkt, sie ist Stadtgespräch. Dies ist keinesfalls allein Verdienst von uns Kupferbaubesetzer*innen, aber wir sehen durchaus unseren zentralen Anteil daran.

In dieser neuen Situation und Dynamik haben wir uns entschlossen, unseren Protest auszuweiten und zu verlagern. Es ging noch nie nur um die Universität, es ging schon immer um die ganze Stadt. Deswegen werden wir nun erst einmal die Nutzung des Hörsaals 21 wieder ermöglichen und in den kommenden Tagen, Stück für Stück, entsprechend unseres basisdemokratisch beschlossenen Verhaltenskodex unsere Materialien und Infrastruktur wieder abbauen und aufräumen. Dies ermöglicht es uns, nicht mehr nur kritische Auseinandersetzung an einzelnen Punkten zu führen, sondern überall. Wir unterliegen nicht der Illusion, dass die Debatte, die nun ins Rollen gekommen ist, für nachhaltige Veränderungen ausreichend ist oder von selbst durch Strukturen der Stadt oder Universität aufrechterhalten wird. Wir haben diesen Freiraum und wir haben diese kritische Debatte erkämpft! Sie wurde erst Realität, als Menschen sich überall in Tübingen gegen Alltagstrott, Angepasstheit und Bevormundung gewehrt haben. Wir agieren innerhalb dieses Verständnisses und deswegen werden wir uns von nun an nicht mehr nur auf einen Raum und einen Akteur beschränken. Heute haben wir unseren Protest in den Gemeinderat tragen, wo über die Verlängerung der Optionsvergabe an Amazon entschieden wurde und in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten wird die Stadt unser Aktionsfeld sein. Wir kommen wieder!

DIE LINKE Baden-Württemberg solidarisiert sich mit den Kupferbau-Besetzer*innen in Tübingen

An die Besetzer*innen des Kupferbaus an der Universität Tübingen:

DIE LINKE Baden-Württemberg erklärt sich solidarisch mit euch, den Besetzer*innen des Kupferbaus in Tübingen. Wir begrüßen eure Forderungen und euren beispielhaften Aktivismus für eine friedliche Wissenschaft. Starke Zivilklauseln wie ihr sie fordert und wie wir sie gerne landesweit umgesetzt sehen würden, betrachten wir als ein zentrales Einstiegsprojekt für eine kritische Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung. Versuche wie im Fall des Cybervalleys, Zivilklauseln zu umgehen, indem etwa Universitäten intransparente Ausgründungen von Forschungsinstituten in Kooperation mit Rüstungsunternehmen vornehmen, lehnen wir ab. Zivile Universitäten müssen zivil bleiben. Forschung die militärischen Zwecken dient oder durch Rüstungskonzerne oder Verteidigungsministerien haben an zivilen Hochschulen nichts verloren.

Wie ihr wendet sich DIE LINKE gegen die Unterwerfung von Bildung und Forschung unter die Zwecke der Profitmaximierung. Wie ihr lehnen wir die Exzellenzinitiative ab und stehen stattdessen für eine solide Ausfinanzierung aller Hochschulen und Universitäten. Der ausufernden Drittmittelfinanzierung wollen wir ein Ende setzen.

DIE LINKE steht für eine grundlegende Demokratie-Reform an der Hochschule. Wir wollen eine Viertelparität in allen Gremien der akademischen Selbstverwaltung.

Die von euch geforderte finanzielle Entlastung vonStudierenden streben auch wir an: es ist ein Skandal, dass nur noch 1/5 aller Studierenden BAföG erhält. Die Höhe des BAföG reicht zudem insbesondere wegen der hohen Mietkosten in Unistädten bei weitem nicht aus, um die Lebenshaltungskosten von Studierenden zu decken. Mittelfristig streben wir ein elternunabhängiges BAföG als Vollzuschuss an.

In der Debatte über den gesellschaftlichen Umgang mit Künstlicher Intelligenz, wie sie auch anhand der Cyber Valley-Pläne zu führen ist, steht für uns als LINKE außer Frage, dass es eine gesellschaftliche Ächtung autonomer Waffensysteme braucht. Algorithmen dürfen nie die Entscheidung über Leben und Tod tragen.

Wir wünschen euch in eurem weiteren Aktivismus viel Kraft und Ausdauer, um den Widerstand gegen einen militarisierten und ökonomisierten Lehr- und Forschungsbetrieb aufrecht zu erhalten.

Euer Alexander Hummel für den Landesvorstand der LINKEN Baden-Württemberg

„Ich erwarte mehr von der Informatik!“ – ein anonymer Kommentar

Es ist erstaunlich, was mittlerweile als vertretbare Informationsveranstaltung durchgeht: Man nehme sieben Personen, die an einem Projekt arbeiten, am Bestehen dieses Projektes ein berufliches Interesse haben, also Befürworter, direkte Nutzenziehende sind, stelle diese sieben auf ein Podium und bitte sie darum, über das Projekt objektiv zu informieren. Kann das überhaupt funktionieren? Wird man reflektierte Antworten bekommen?

Die Informatiker*innen, die im Rahmen des „Cyber Valleys“ forschen wollen, meinten anscheinend, dass das ginge. Sonst hätten sie wohl nicht am Dienstag, den 11. Dezember 2018, eine „Informationsveranstaltung“ durchgeführt, in der ohne Ausnahme nur Partizipierende des „Cyber Valleys“ die Wortführung besaßen. Nach dem Motto: Hey, wir verdienen an diesem Projekt, aber wir werden trotzdem objektiv antworten und natürlich beide Seiten ausleuchten.

Spätestens als gegen Ende der Veranstaltung ein kritischer Redebeitrag totgeklopft wurde, machten die Anwesenden klar, dass sie wenig von konsequenter Kritik halten. Dass die Referent*innen hierauf mit Häme reagierten und lieber einen über diesen Sachverhalt wütend gewordenen Redner für den Gebrauch von Kraftausdrücken kritisierten, macht in aller Klarheit deutlich: Die anwesenden Referent*innen wollen nicht „Fick“ sagen, geben gleichzeitig aber einen Fick auf Privatsphäre und wollen lieber Amazon beim Ausbau ethisch fragwürdiger Überwachungstechnologien unterstützen.

Ich bin enttäuscht von der engstirnigen Konformität, die viele der anwesenden Studierenden am Dienstag an den Tag gelegt haben. Die kritiklose Akzeptanz der interessengeleiteten Sichtweise ihrer Dozierenden und das mangelnde Interesse an Ethik lassen mich grundlegend am moralischen Kompass, auf den allein sich eine der Referentinnen in der ethischen Abwägung der Forschung verlassen möchte, zweifeln. Da von den Referent*innen sogar erwähnt wurde, dass „sogar Ethik-Seminare angeboten“ wurden, doch „nur drei Personen diese besucht“ hätten, lässt mich zu der Schlussfolgerung kommen, dass die allermeisten Informatik-Studierenden anscheinend nicht interessiert sind an der ethischen Bewusstwerdung ihrer eigenen Handlungen. Das aber veranlasst mich noch einmal dazu, die „Cyber Valley“ Initiative, aufgrund mangelnder kritischer Reflexionsgabe der daran Beteiligten, grundlegend in Zweifel zu ziehen.

Eine Alternative für die Zukunft der Informatik ist zum Beispiel die Initiative „Informatiker für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung“ (FIfF). Menschen also, die eben nicht nur an guten Noten und der eigenen Karriere interessiert sind, sondern sich kritische Gedanken über das eigene Fach und die Folgen der Zusammenarbeit mit Konzernen wie Amazon machen. Die Informatik als technische Wissenschaft kann erst dann eine wirklich sozial nützliche – sozial nützlich ist nicht unbedingt immer wirtschaftlich nützlich – Disziplin werden, wenn sie sich von Großkonzernen wie Amazon, Daimler, Bosch und anderen befreit und gemeinsam mit sozialwissenschaftlicher Kritik an der Zukunft dieser Disziplin arbeitet. Weswegen das wichtig ist? Technologie ist immer sozial und immer eingebunden in gesellschaftlicheProzesse! Diese Prozesse müssen aber auch von denen reflektiert werden, die an neuen Technologien arbeiten. Ergo: Es braucht Ethik und Soziologie in der Informatik! Zwischen all der Logik und trockenen Zahlenwelt muss reflektiert werden! Leben ist kein Algorithmus und nicht alles lässt sich in Nullen und Einsen ausdrücken.

Solidarität mit der Besetzung des „Hotel Hospiz“

In der Nacht auf Freitag, 14.12.2018 wurde nun, nach dem Kupferbau und dem Haus Ob dem Viehweidle 21, auch das „Hotel Hospiz“ in der Neckarhalde 2 besetzt. Das Hotel Hospiz befindet sich im Besitz der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Tübingen und wurde vor Kurzem meistbietend an eine, zum jetzigen Zeitpunkt unbekannte, Familienstiftung verkauft. Familienstiftungen verfolgen, trotz des sozialen Klangs im Namen, oft nicht in erster Linie gemeinnützige Ziele. Häufig werden sie dazu genutzt, um privates Vermögen zu sichern und steuerliche Vorteile zu erzielen. Angeblich wollen die neuen Eigentümer*innen aber ihrer sozialen Verantwortung nachkommen und günstigen Wohnraum für Studierende schaffen. Allerdings ist bisher nichts Näheres über den Personenkreis hinter der Familienstiftung bekannt und auch mit konkreten Plänen zur zukünftigen Nutzung und Umgestaltung des „Hotel Hospiz“ hält man sich bislang zurück.

Die Besetzer*innen des „Hotel Hospiz“ fordern deshalb unter anderem:

  • das Konzept für die zukünftige Nutzung des „Hotel Hospiz“ transparent darzustellen und konkrete Schritte anzukündigen.
  • öffentlich nachvollziebare Bedingungen aufzustellen, die eine langfristige, sozialverträgliche Nutzung garantieren.
  • dass die Stadt Tübingen von ihrem kommunalen Vorkaufsrecht gebrauch macht und langen Leerstand durch das Tübinger Zweckentfremdungsverbot mit Bußgeldern sanktioniert, um Wohnraum zu schaffen, der sich am Gemeinwohl orientiert.
  • den Bau von mehr Studierenden-Wohnheimen, die selbstverwaltet organisiert sind.

Wir, die Besetzer*innen des Kupferbaus, schließen uns den Forderungen der Besetzer*innen des „Hotel Hospiz“ mit Nachdruck an! Wohnraum darf nicht Spekulations- oder Anlageobjekt für Profit orientiertes Wirtschaften sein – nicht hier in Tübingen oder anderswo! Bezahlbarer Wohnraum ist ein grundlegendes Bedürfnis aller Bewohner*innen der Stadt und im Interesse des Gemeinwohls. Es ist hinreichend bekannt, dass dieses Gemeinwohl in Tübingen bereits seit mehreren Jahren zunehmend gefährdet wird. Um auf diesen Notstand in der Tübinger Stadtentwicklung aufmerksam zu machen und freistehende Wohnfläche kurz- und mittelfristig nutzbar zu machen, ist Besetzen eine legitime und sinnvolle Form des Protests! Aus diesem Grund gilt den Besetzer*innen des „Hotel Hospiz“ unsere ausdrückliche Unterstützung und Solidarität!

Leerstand gehört #positivbesetzt !

Denken heißt (Grundstücksgrenzen) überschreiten!

Mehr Informationen zur Besetzung des „Hotel Hospiz“ auf Twitter @hotelhospiz und @positivbesetzt oder auf http://www.tueinfo.org/cms/node/24968

From X-Berg with Love

Die Berliner Initiative Counter Campus erklärt sich solidarisch mit den Aktivist*innen in Tübingen und ihrem Kampf gegen die Ausweitung
staatlich-wirtschaftlicher Kooperationen zur Entwicklung von „intelligenten“ Ausbeutungs-, Überwachungs- und Kriegstechnologien.

Universitäten sollten als Orte gelten, an denen transparent und egalitär
über die Chancen und den Nutzen basisdemokratisch regulierter
Informationstechnologien debattiert werden kann. Die Tatsache, dass sie mehr und mehr zu Orten werden, an denen proprietäre Technologien zur Forcierung bestehender Ungerechtigkeiten entwickelt werden, ist kaum mehr erträglich.

Auch die desaströsen Folgen, die Konzerninvestitionen und
Wirtschaftsförderungen in Hochtechnologie-Parks haben, sind inzwischen überdeutlich. Weltweit bewirken Valleys dieser Art die Zerstörung lokaler Milieustrukturen, führen zu sozialer Homogenisierung und
kultureller Desertifikation.

Ein kontinuierlicher Widerstand ist daher unerlässlich, um das bessere
Leben für alle zu erstreiten – ob in Kreuzberg, San Jose oder Tübingen.
Nur den außerparlamentarischen und politisch-pluralen Kämpfen ist es zu verdanken, dass Google in Berlin das Handtuch werfen musste und den geplanten Campus aufgegeben hat. Das Beispiel hat uns allen gezeigt, dass selbst Weltkonzerne nicht unverwundbar sind und dass solidarische Proteststrukturen den allmächtig erscheinenden Kapitalinteressen und der staatlichen Repression trotzen können.

Wir wünschen allen Aktivist*innen viel Erfolg bei ihren Aktionen und
hoffen, dass sie nur der Auftakt für eine massenhafte Auflehnung gegen die völlige Überwachung, nationale Abschirmung, Gentrifizierung und Prekarisierung im Zeichen moderner Informationstechnologien sind.

Broschüre „Do the red thing. Über den Zusammenhang von Wohnungsnot im Kapitalismus, Kalifornischer Ideologie und der Zukunft der digitalen Stadt“ von Counter Campus Berlin

Stellungnahme von NatWiss e.V. – NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit

Solidaritätsbekundung mit dem Protest Tübinger Studierenden gegen die Militarisierung der Forschung

Ein Teil der Universität Tübingen wurde besetzt. Anlass ist u. a. das rüstungsrelevante Projekt „Cyber Valley“ (Informationen unter http://www.imi-online.de). Im Zentrum steht die zivil-militärische Zusammenarbeit zur Erforschung künstlicher Intelligenz. Sie konterkariert damit die Arbeit von tausenden (Natur-)WissenschaftlerInnen und Ingenieuren in aller Welt, die sich für Frieden und die Lösung von drängenden Problemen einsetzen.

Die Besetzung ist daherein überfälliger Schritt, den die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative ausdrücklich begrüßt. Der zu Recht von den Tübinger Studierenden kritisierte Einfluss privater Großunternehmen, insbesondere der rüstungsrelevanten Industrie, und die forschungsethisch problematische Exzellenzinitiative des Bundes sind nur zwei von vielen Beispielen, in welchem Umfang Universitäten betroffen sind. Universitäre Lehre und Forschung stecken seit Jahren in einer tiefen und permanenten Krise. Der Handlungsrahmen der universitären Selbstverwaltung ist mittlerweile stark eingeschränkt, die grundgesetzlich abgesicherte Autonomie der Forschung und Lehre gerät mit solchen Projekten weiter unter Druck.

Dabei ist die Universität nur einer der Orte in der Gesellschaft ,die von dieser Entwicklung betroffen sind. Während die Profite der Privatwirtschaft exorbitante Ausmaße annehmen, sind große Teile der Gesellschaftvon den Folgen dieser Entwicklung bedroht. In dem Projekt des sogenannten „Cyber Valley“  laufen diese problematischen Entwicklungen exemplarisch zusammen. Politik und Wirtschaft arbeiten eng zusammen und schaffen neue Abhängigkeiten der Hochschulen Tübingen und Stuttgart. Die resultierende Auftragsforschung zu künstlicher Intelligenz ist auf eine schnelle Lieferung marktfähiger Anwendungen ausgerichtet und direkt an Kriegseinsätze gekoppelt.

Die beschriebenen Abhängigkeiten erschweren eine dringend benötigte kritische Auseinandersetzung der ForscherInnen und der Öffentlichkeit mit ihrer Verantwortung für die Folgen dieser Forschung. Universitätsleitungen, -verwaltungen und Professorenschaft haben sich in diesem Krisenmodus eingerichtet. Studierendenstreiks sind ein legitimes Mittel, diese Bequemlichkeit des Weiter-so aufzubrechen. Doch die Entwicklungen seit 2009 haben gezeigt, dass punktuelle Brüche alleine keine bleibenden Veränderungen erreichen können.

Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative plant daher für 2019 die Wiederbelebung und Weiterentwicklung der Proteste auf dem Gebiet der – (natur)wissenschaftlich relevanten, aber defizitären – Zivilklauseln. Weitere Themengebiete werden in Zusammenarbeit mit Mittelbau, Studierenden, Professoren und Gewerkschaften folgen.

Die Fragen von Verantwortung in Wissenschaft, Forschung und Lehre für eine friedliche, klimagerechte Welt sind drängendste Fragen der Gegenwart. NatWiss lädt dazu ein, gemeinsam Positionen und praktische Schritte zu entwickeln, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Wir rufen die Kolleginnen und Kollegen, Professores, Mittelbau und Emeriti dazuauf, sich an den legitimen Protesten zu beteiligen und in Lehrveranstaltungen und Seminaren die Entwicklung der Universitäten zu thematisieren. Fachleute von NatWiss e.V. stehen für dezentrale Diskussionsveranstaltungen auf Anfrage zurVerfügung.

Solidarité avec les étudiants de l’Université de Paris III – Sorbonne Nouvelle

Chères amis,

on voudrait bien à vous exprimer notre solidarité pour vos blocus, vos occupations, vos protestations etaussi les activitées à votres écoles et universitaires. Pareillement, nous, les étudiantes de Tübingen, nous avons occupéune partie du bâtiment d’université pour protester contre ladépendance croissante de l`université à l’égard des entrprises privées, la privation des driotes démocratiques, la réintroductionde frais scolaire, l’obligation de réussir et aussi pour uneclause civile concernant la proteste en maitère de la recherche etde l‘èducation.

Notres contestations sont également contre la conception actuelle et la forme du projet prévu „CyberValley“ à Tübingen. C’est une collaboration de la rechercheentre l’université et des grandes entreprises comme Amazon, Porsche et Bosch, inspiré par le „Silicon Valley“ aux États-Unis.

Ici, nousdemandons pareillement la transparence et la participation, pas dedépendance de l’économie et pas de collaboration en matière dela recherche de l’armure, la défense de la frontière, lasurveillance et le social scoring.

Nous soutenons vos revendications d’abolir des frais scolaires pour les étiudiantes étrangères et nous vous soutenons contre l’augementation des frais d’inscription. Avec intêret et l’enthousiasme nous suivons l’expansion des vos thèmes et vos protests. Votre courage, votre détermination et votre
solidarité nous donnent de l‘espoir et du courage ici en Allemagne.

Face à la repression massive et intolérable des vœux de la violence étatique nous vous souhaitons beaucoup de force et de persévérance dans vos effortes. Laissez-nous protester ensemble et partout pour une science et une éducation ouverte, qui n’est pas empreinté des intérêts d’exploitation. Votre résistance était toujours le point du départ pour un bouleversement solidaire et égalitaire de la société.

La lutte continue – la lutte est partout.